KEIN HOCH OHNE DAS TIEF

in Kollaboration mit Karl Salzmann

Live Performance, 2017

 


Die Performance umfasst einen Teil von Hanna Schaichs Ausstellung. Im Wesentlichen geht es um die Linde, die in zwei Teile geschnitten am Boden liegt. Sie bildet das Epizentrum der künstlerischen Begegnung. Inhaltlich geht es um die Themen Erinnerung und Heimat, denen sich Hanna Schaich mit Videos und Texten nähert. An diesen Fragen dockt Karl Salzmann an; sein Part im Klanginstallativen liegt u.a. darin, den Schauraum der Galerie miteinzubeziehen und den Sound, das klangliche Material, das im Dialog mit dem Baum entsteht, akustisch und nur an manchen Stellen verstärkt mit der Präsenz Hanna Schaichs und ihren Ideen und Impulsen in eine Begegnung zu bringen. Die poetisch erzählerische Ebene in den Videos der Hanna Schaich trifft kongenial auf vorhandene künstlerische Rezeptoren und signale Formen bei Karl Salzmann, die aufeinander bezogen sind und außergewöhnlich leicht und spielerisch miteinander dialogisieren. Die erzählerische Struktur in den Texten der Künstlerin nimmt der Klangkünstler Salzmann auf und spiegelt sie in die Performance hinein.

Die Performance

Den Pfänder, Hanna Schaichs Hausberg, den sie so „vor der Nase hat“, muss sie, wie sie gegenüber KULTUR sagt, immer wieder besteigen, in Rondo-artigen Wiederholungen sich die Aura dieses Berges einsaugen. In der Performance zur Finissage taucht auch jener Baum auf, der seit Beginn der Ausstellung im ersten Raum links, in dem auch das Video von „Evelyn“ läuft, am Boden liegt. Dieser Baum wird von den beiden Künstlern mit unterschiedlichen Materialien haptisch und klanglich bearbeitet; dazu spricht Hanna Schaich eigene Texte, in denen sie auf die großen Fragen des Lebens anspielt, es geht um Haltungen, um Bilder und Sehnsüchte, um eine Lebensphilosophie, die zwischen Heimat und Traumwelt oszilliert. Salzmann kreiert Soundlandschaften, Klangwelten aus Geräuschen und Tönen, musikalische Kryptogramme; mit graphischen Scores visualisiert er Elemente der Musik, mit Verfahrensweisen des Soundpainting werden die assoziativ zu einem Teppich gewobenen und aufgetrennten persönlichen und kulturellen Hintergründe interpretiert und hörbar gemacht.

Der Baum als universelles Symbol 

Beim Präsentieren der Texte werden die sprachlichen Rhythmen das Klanggewebe verdichten, verwerfen, steuern, während eine differenzierte Poetik das Hörbare für alle Sinne öffnet, nicht um einen kuschelig einlullenden Hörgenuss voranzutreiben, sondern die Spannung, die aus den Tönen und Geräuschen, aus der Phonologie der gesprochenen Sprache Anklänge an lautmalerische Klänge, produziert. Eine Art Soundmalerei. Rund um die Linde. Für die Künstlerin ist wichtig, etwas Organisches im Raum zu haben und dass der Baum vom Pfänderhang kommt. Diese Linde repräsentiert universelle Themen wie Gerechtigkeit, soziale Zusammenkunft, die Linde ist für Schaich der Baum der Gerechtigkeit, auf dem die Vögel des Himmels Platz nehmen, wie in der Komposition „El Cant dels Ocells“ von Pau Casals, „Der Gesang der Vögel“. Casals, der große katalanische Cellist und Komponist, der sein Catalunya vor den Verfolgungen des Generale Franco im Spanischen Bürgerkrieg verlassen musste, hat alle seine Konzerte und Musikfestspiele im Exil ab 1939 mit diesem Lied beendet. Die in Moll gesetzte Melodie ist zum Lied der heimwehkranken katalanischen wie spanischen Flüchtlinge geworden. Der in der Ausstellung auftauchende Baum ist ein seit vielen Jahren am Boden liegender, abgebrochener Ast, dessen Mutterbaum weiterhin am Pfänder steht. Damit nimmt die Künstlerin indirekt auch die Frage nach dem Zyklus des Lebens auf, sie thematisiert die Rolle der Biographie und befragt die Bedeutung der Erinnerungen, die uns geschichtsfähig und bindungsfähig machen. Neben der Gerechtigkeit ist die Linde auch ein Zeichen für Liebe, siehe Schuberts „am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum, ich schnitt in seine Rinde …“

„Walk down Memory Lane“

Karl Salzmann und Hanna Schaich ergänzen und erweitern sich in ihren künstlerischen Herangehensweisen, sie inspirieren sich gegenseitig, schaukeln sich in ihren Ideen und künstlerischen Figuren synästhetisch, wie auf einem Karussell, einem Rösslispiel, zentrifugal weiter und weiter, um sich gleich darauf wieder ganz zu reduzieren. Eine zentrale Charakteristik der Performance ist unter anderem, dass die Künstlerin und der Künstler über die Improvisation stets auch aktuell und neu ausloten, wie sich dieses Zusammenspiel kohärent oder kontrastiv übersetzen lässt. Johnny Cash mit „Hurt“ und Joy Division tauchen um die Ecke auf mit „Love will tear us apart“. Lyrics: „When the routine bites hard / And ambitions are low / And the resentment rides high / But emotions wont grow / And were changing our ways, / Taking different roads / Then love, love will tear us apart again.

Text:  Peter Niedermair